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Ein Dollar zwischen den Zähnen (Un Dollaro tra i denti)

Ein Dollar zwischen den Zähnen (1966) | Western-Jack (1967) | Der Schrecken von Kung Fu (1969)
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EIN DOLLAR ZWISCHEN DEN ZÄHNEN (1966)
Darsteller:
  • Tony Anthony
  • Frank Wolff
  • Jolanda Modio
  • Gia Sandri
  • Raf Baldassarre
  • Aldo Berti

Musik:

  • Benedetto Ghiglia

Regie:

  • Luigi Vanzi

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Zur Artikelseite des Films

„A Stranger in Town“ oder in Deutschland „Ein Dollar zwischen den Zähnen“ ist der erste Teil der Vanzi-Triologie und der erste Teil mit einem Hauptcharakter, der zu einem der bekanntesten und einprägsamsten Figuren des Italo-Western wurde. Eine Figur, die auch lange nach dem Rückzug von Vanzi aus dem Western-Genre, durch Anthony und Regisseur Baldi am Leben erhalten bzw. weiterentwickelt wurde. Im Zuge dessen wurde die Stranger-Figur nicht nur in fremde Länder, sondern auch auf Zeitreise geschickt und in gewisser Weise, wenn auch die Hauptfigur nicht die gleiche blieb, das Sehvermögen entnommen, um ihn als Blindman zu recyceln.

A Stranger in Town ist allerdings nicht nur aufgrund der Tatsache, dass er als Geburtsstunde dieses Italo-Westerns Mythos gilt, einen Blick wert, sondern auch aufgrund der einzigartigen Umsetzung, für die Vanzi verantwortlich zeichnet. Er schafft dabei ein von Nihilismus getränktes Meisterwerk, voller Gewalt, Atmosphäre und Faszination.

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Dabei ist die Story so einfach, wie denkbar möglich. Ein Fremder schließt sich mit einer Bande um deren Anführer Aguilar zusammen, um eine Einheit amerikanischer Soldaten um deren Goldladung zu erleichtern. Doch beim Teilen ist sich jeder selbst der Nächste und es kommt wie es kommen muss, das Ganze endet in einem leichenreichen Gemetzel. Doch trotz, oder gerade wegen dieser spärlichen Story entwickelt der Film eine unglaubliche suggestive Faszination, der man sich nur schwerlich entziehen kann.

Allein der Beginn. Diese großartige, diabolische Musik. Sie besteht nur aus wenigen Tönen, die aber sehr einprägsam sind. Wir sehen eine heruntergekommene Westernstadt, der Wind pfeift durch die Gassen. In der Mitte stehen kleine Wagons einer Art Mineneisenbahn und alles sieht aus, als sei dieser Ort fluchtartig verlassen worden. Ein einsamer Reiter betritt sie Szenerie. Zuerst sehen wir nur die Umrisse, die allmählich näher kommen. Diese Gestalt wirft Schatten auf die Erde, die großartig mit der Kamera eingefangen werden. Der Fremde trägt keinen Poncho (wie sein filmisches Vorbild Eastwood), sondern nur eine dreckige, verlauste Decke um die Schultern. Er steigt ab und öffnet eine Art Schranke. Diese Schranke ist das Tor zur Hölle. Denn was dahinter steckt, wirkt wie die Hölle auf Erden. Er betritt diesen Bereich, bindet sein Pferd an und öffnet die Lasche seines Pistolengürtels. Eine weise Voraussicht, auf die Dinge die ihn erwarten werden. Er geht eine enge Gasse entlang. Am Straßenrand sehen wir einen toten Mexikaner sitzen (eine weitere Reminiszenz an „Für eine Handvoll Dollar“, allerdings mit dem Unterschied, dass dort der tote Mexikaner auf dem Pferd saß und an Eastwood vorbeiritt). Der Fremde geht weiter. Die Gassen sind eng, dunkel und bedrückend.


Eine absolut beklemmende Atmosphäre ist entstanden. Es ist kein Mensch zu sehen. Die Stadt scheint ausgestorben. Der Fremde sieht durch ein Fenster. Wir sehen eine wunderschöne junge Frau mit ihrem Baby. Sie scheint wie ein Gegenpool in dieser dunklen Welt. Darüber hinaus erinnert ihre Erscheinung und ihr Baby ein wenig an Maria und Jesus, wenn man einen religiösen Bezugspunkt nennen will (auch dies wieder eine augenscheinliche Gemeinsamkeit mit Leone’s Film und dessen Figur bzw. Familie um Marisol). Doch als die Frau den Fremden sieht, zieht sie verängstigt die Vorhänge zu. Der Stranger betritt ein Haus. Auch dieses ist menschenverlassen. Er nimmt eine Flasche von einem Regal. Von hinten schleicht sich ein Mann heran. Der Fremde dreht sich um und erschlägt den Mann mit der Flasche. Dann einen Szenenwechsel und ein völlig konträrer Schwenk zu einem prozessionsähnlichen Umzug, der eine Mischung aus religiöser Totenbeisetzung und Karneval darstellt. Denn aus der zuvor menschenleeren Darstellung, werden wir nun in ein Meer von visuellen Eindrücken ertränkt, wodurch diese Szenerie in Ihrer Umsetzung groteske Züge annimmt. Die „Teilnehmer“ tragen dunkle kuttenartige Gewänder, die eine unglaubliche Bedrohung erwecken (übrigens wird diese Art von religiösem Trauermarsch im Film Blindman in veränderter Form wiederverwendet, um Ringo Starr’s Charakter Candy die letzte Ehre zu erweisen). Diese Prozession wandert langsam über den Dorfplatz. Sie wird durchkreuzt durch eine Einheit mex. Soldaten. Und dann geht alles ganz schnell. Die Kuttenträger entpuppen sich als mex. Banditen, überrumpeln die Soldaten, entledigen diese ihrer Waffen und werden niederrücks mit einem Maschinengewehr erschossen. Und in diesem Sinne wird der Film fortgeführt, ohne näher darauf einzugehen.


Dabei ist zu sagen, dass der Film in seiner Darstellung und Gestaltung einzigartig ist. Dieser minimalistische Stil ist in diesem Genre unerreicht geblieben. Es wurde eine unglaublich bedrückende und beängstigende Atmosphäre geschaffen. Die Stadt erweckt den Eindruck, als wäre sie von der Außenwelt abgeschottet, mit eigenen Gesetzen und Regeln. Diese Regeln werden von einem Teufel in Gestalt von Frank Wolff vorgegeben. Symbolträchtig werden Soldaten, als Bezugspunkt für staatliche Machtverhältnisse, oder auch ein Priester, als Symbol für kirchliche Einflüsse getötet bzw. teilweise massakriert. Und auch ein Baby wird von dieser Gewalt nicht verschont. Wobei der Stranger, als die Mutter gefangen genommen und verschleppt wird, nicht auch nur einen Gedanken verschwendet dieses Neugeborene zu retten. Ganz im Gegenteil, er lässt es alleine in einem Haus zurück und reitet lieber dem verlorenen Gold und der Bande um Wolff’s Filmcharakter Aguilar hinterher. Und diese innerliche Abgeschlossenheit der Stadt wirkt absolut menschenfeindlich. Natürlich ist dies in dem Genre keine Seltenheit, auch in Corbucci’s Meisterwerken Django oder Leichen pflastern seinen Weg werden abgeschottete Siedlungen dargestellt. Aber bei A Stranger in Town hat man den Eindruck, dass die Story den gegebenen Lokations folgt. Sprich waren es bei den anderen genannten Filmen Schlamm und künstlich erzeugter Schnee, die diesen Umstand auslösten, so sind es hier die engen und dunklen Gassen, die Stille und die menschenleere Umgebung die eine Art von Bedrohung erzeugt.


Und auch das traditionelle Bild bzw. die filmische Darstellung der Frau erfährt, im Zuge dieser verrohenden Visualisierung, eine radikale Neuinterpretation. Dabei ist eine machtbesessene Frau in diesem Genre nicht Neues. Schon Sergio Leone’s Figur Consuelo Baxter wurde sehr machtbesessen und dominant dargestellt. Doch auch hier geht Vanzi einen Schritt weiter, in Form seiner Interpretation Maruca/Maria Pilar, gespielt von Gia Sandri. Denn während Leone’s Figur noch in einem familiären Kontext stand, sprich sie war nicht nur die stille, harte Anführerin, sondern auch noch Ehefrau und sorgende Mutter, so definiert Vanzi seine Figur als absolut kaltherzige und narzisstische Persönlichkeit, die nicht nur homosexuelle Tendenzen offenbart, sondern gleichzeitig dies potenziert, in dem sie eine bildlich, fast schon sexuell dargestellte Lust an den Schmerzen anderer Leute verspürt (man denke nur an den Gesichtsausdruck beim Auspeitschen des Strangers und der daraus resultierenden Intention diesen zu Küssen). Damit steht sie natürlich in einem absoluten Gleichklang mit der Figur des Aguilar und bildet dessen kongeniale Partnerin. Ein Mann, der nach jeder Schandtat zynisch die Frage in den Raum wirft „Was bin ich“, worauf die Antwort seiner Männer kommt „Ein fairer und gerechter Mann“.


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Natürlich ist der Film mit sehr geringem Budget gedreht, aber Vanzi nutzt dieses offensichtliche Handycap und macht es zu seinem Nutzen, in dem er diesen Look maximiert und dadurch eine gradlinige Konsequenz und unglaubliche Bildpräsenz schafft. Man erhält das Gefühl einer Homogenität zwischen Lokations, Bildern, Musik und Darstellern. Alles ist auf ein Minimum reduziert. Die Kleidung des Strangers, die spärliche Ausstattung der Räume (z. B. der Saloon, der nur ein Raum mit einigen Stühlen und Tischen ist), statt einer pompösen Eisenbahn (wie sie bereits in dieser Zeit z. b. in „Navajo Joe“ oder „Für ein paar Dollar mehr“ verwendet wurde) gibt es nur diese kleine Waggons, die auf ein paar alten Schienen mitten durch die Stadt führen. Auch die Kommunikation ist eher spärlich gewählt. In den ersten 10 Minuten wird kaum ein Wort gewechselt, aber es ist bereits eine Vielzahl von Menschen gestorben. Ebenso gibt es keine Nebengeschichten, die den Zuschauer von der eigentlichen Story ablenken.


Ebenso hat Vanzi wohl den physischen Nachteil von Schauspieler Tony Anthony, in Form seiner geringen Körpergröße erkannt. Denn Anthony kann sicherlich nicht die bildgewaltige Präsenz eines Franco Nero’s oder auch Clint Eastwood’s aufweisen. Doch auch hier nutzt dies Vanzi aus und stimmt den Charakter auf die Gegebenheiten ab. Er versucht eher seinen Gegnern aus dem Weg zu gehen, während z. B. Leone’s Interpretation eher die Konfrontation Mann gegen Mann sucht. Und Anthony’s Filmcharakter versucht durch List und Tücke seine Gegner zu übervorteilen. Er schleicht durch die engen Gassen, versteckt sich, klettert auf Hausdächer, nutzt die Dunkelheit usw. Ebenso minimiert er Wolff‘s Bande am Ende, indem er sich versteckt und immer erst dann aus seiner Deckung auftaucht, wenn er in einer besseren, fast schon sicheren Position ist. Alles Charaktereigenschaften die eher ungewöhnlich für einen SW-Helden sind. Trotzdem wirkt diese Figur natürlich auch durch seine Coolness auf die Zuschauer.


Insgesamt sicher eines dieser unterbewerteten Genreperlen, welches seine Liebhaber, aber auch seine Gegner fand und finden wird. Für mich allerdings ist dieser Film mein persönlicher Favorit. Nicht weil es der beste Film ist, sondern weil er bei mir eine Faszination (sorry, für die häufige Nutzung dieses Wortes) auslöste, welche ich bei keinem anderen Film dieses Genres erleben durfte. Und sicher auch der Film, der meine Spaghetti-Western Affinität verstärkte und manifestierte. Unerreicht in seiner kargen Ausdruckskraft, schafft Vanzi einen düsteren und schnörkellosen Film, der gerade dadurch zu gefallen weis. Und wo Leone mit eposartiger Umsetzung zu gefallen wusste, kontert Vanzi mit dieser Einfachheit, der alles unterworfen wird. Selbst wenn es der Hauptdarsteller ist.


Ich danke Vanzi und allen Beteiligten für dieses großartige Werk. Von mir absolut empfohlen.

--By The Stranger

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