Leichen pflastern seinen Weg BluRay Kritik

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Besprechung der neuen BluRay von Leichen pflastern seinen Weg die beim Label FilmJuwelen im Vertrieb von Alive! erschien (in drei Editionen: Mediabook, normale BluRay und DVD). Jetzt kaufen: Amazon.de | Amazon.it | Amazon.es

Leichen pflastern seinen Weg BluRay

Zum Film

Utah in den späten 60er Jahren des 19. Jahrhunderts, mitten im winterlichen Gebirge. Gierige Kopfgeldjäger umkreisen das kleine Nest Snow Hill, um die in den Bergen hungernden Geächteten für das von Friedensrichter Pollicut (Luigi Pistilli) ausgeschriebene Kopfgeld zu jagen. Auch der üble Tigrero (Klaus Kinski) und seine Mannen sind heftig am Geld einheimsen. Das kalte Wetter macht den Transport von Leichen etwas einfacher, da haltbarer (immerhin tot oder lebendig). Als er den Mann von Pauline (Vonetta McGee) erschießt, schreibt die ein Telegramm und holt den stummen Silenzio (Jean-Louis Trintignant) in die Stadt, auf seine Art und Weise auch ein Auftragskiller, aber mit einem Sinn für Gerechtigkeit. Doch der hat auch noch eine ganz persönliche Vendetta abzuschließen. Der neue Sheriff Burnett (Frank Wolff) kommt mit der gleichen Postkutsche in die Stadt, und will der Kopfgeldjägerei den Garaus machen, denn der Gouverneur hat den Geächteten die Amnestie erklärt. Das passt hier aber niemandem. Während der Sheriff auf verlorenem Posten versucht, Tigrero und Co zu befrieden, fallen weiterhin Leute tot in den Schnee, und Pollicut hat es auf Pauline und Silenzio abgesehen, der bei ihr unterkommt. Mehr Blut wird den Schnee färben....

Es ist ein wenig seltsam den Film nach all den Jahren wieder zu sehen. Man kennt vielleicht alte TV-Ausstrahlungen, abgenutzte VHS Kassetten oder eine der wenigen DVD Auflagen des Films aus den letzten Jahren. Ein grimmiger, brutaler und irgendwie großartiger Italowestern, unheimlich erfolgreich und einflussreich (wer sich nicht mehrmals an The Hateful Eight oder Das Finstere Tal erinnert, hat nicht aufgepasst), aber auch irgendwie sehr stark ein Kind seiner Zeit. Etwas verflogen ist aus heutiger Perspektive der grimmige Charakter, das lag in Teilen auch an kleinen Fernsehgeräten die man zur Verfügung hatte. Heute kann man den Film wieder etwas mehr so erleben wie damals im Kino, und hier zeigt er eher seine epischen Ausmaße bzw. diese Gegensätzlichkeit aus schönen schneeverschneiten Alpenlandschaften (gefilmt wurde das wohl in den Dolomiten) und matschigen Dorfhütten-Gassen in denen der Tod lauert.

Leichen pflastern seinen Weg BluRay

Was mir nicht mehr so in Erinnerung war ist, wie wenig offensichtlich grausam Tigrero eigentlich ist, er unterscheidet sich nur dahingehend von den anderen Kopfgeldjägern dass er eben von Kinski gespielt wird. Es ist ein fleißiger, gewiefter und halt etwas sadistischer Geschäftsmann könnte man meinen. Noch interessanter wirds wenn man bedenkt, dass Silenzio ein wenig das Gegenteil darstellt. Auch er tötet nicht so ganz ohne Geld, auch er ist brutal (schießt Leuten den Daumen ab) und hat Tricks auf Lager. Wie man allerdings weiß, Silenzio zieht am Ende den Kürzeren. Auch der Sheriff überlebt den Film nicht. Alle sterben! So grimmig der Italowestern grundsätzlich schon war, so oft er offen zynisch und sadistisch war, wenige waren so dermaßen depressiv und antithetisch wie The Great Silence. So grimmig, dass man ein Happy End drehen ließ, für das aber mangels Synchronisation bis heute kein Ton vorliegt.

Corbucci schuf mit dem Film ein kleines Meisterwerk mit einzigartigen Locations, der großartigen und wie immer unsterblichen Musik von Ennio Morricone, einer prima Besetzung und einer wirklich komplexen Story. Auch das ging damals ein wenig unter vor all der Gewalt und dem Schnee und dem üblen Ende: die politische Dimension der Amnestie und die soziopolitische Situation der Geächteten einerseits, der Sheriff der nach Snow Hill kommt um im Wesentlichen Pollicut und den Kopfgeldjägern deshalb das Handwerk zu legen andererseits. Seine Machtposition in Snow Hill ist allerdings minimal, auch weiß er im Grunde gar nichts. Er weiß nichts von Silenzio, von Tigrero oder Pollicut, oder was die jeweils miteinander zu tun haben. Somit ist er auch eine Art Metapher für die damals als Weltpolizeit wahrgenommenen USA, die sich in Vietnam einmischten ohne das Land nur annähernd gekannt und verstanden zu haben.

Leichen pflastern seinen Weg BluRay

Vielleicht ist das aber auch eine große Schwäche des Films: Die vielen Handlungsfäden die nur so annähernd zusammen geschnürt werden, Charaktere die sterben und ein Gefühl der Erwartung beim Zuschauer hinterlassen, oder Hintergrundgeschichten die sich als letztlich nutzloses Beiwerk herausstellen. Vielleicht. Leichen pflastern seinen Weg - meine Güte was für ein Titel - wird für immer eine Legende bleiben, und der neben Il Mercenario wohl großartigste Leinwandverdienst von Sergio Corbucci. Kein Weihnachtsfilm im klassischen Sinne, aber doch ein kuschelig derbes Schnee-Abenteuer all'Italiana.

Die BluRay

Anfang des Jahre war der Jubel groß, als die Cinemateque Francais berichtete, man würde eine 4K Neuabtastung des Films vorführen. Da kamen Hoffnungen auf, Vertriebsfirmen weltweit würden sofort zuschlagen, und den Film endlich restauriert auf BluRay herausbringen in der Annahme, es hätte wohl immer nur am Material gefehlt. Dann kündigte FilmJuwelen den Film an, und die Skepsis hielt an. Ob man nur ein TV-HD Master veröffentlichen würde, gar die schlechte Arte Version? Hat man eigenes Material? Oder das sagenumwobene 4K Material aus Paris? Letztlich hat man vom Lizenzgeber wohl doch nur eine Neuabtastung dessen bekommen, was bisher so in den TV Archiven hierzulande schlummerte, das Ergebnis ist eine 2K Abtastung die zwar einen Schritt nach vorne bedeutet und den Film auf HD Geräten eträglich macht, aber bei weitem nicht die Art von Restauration darstellt, auf die man gehofft hatte. Filmjuwelen bringt den Film übrigens nicht nur hier im Mediabook, sondern auch separat auf DVD.

Die Scheibe präsentiert den Film in korrekten Bildformat in vollem HD (1080p) und bietet dazu drei Tonspuren (alle DTS-HD MA 2.0 mono): Deutsch, Italienisch und Französische. Deutsche Untertitel optional. Beim Bild ergibt sich ein durchwachsener Eindruck. Teilweise hat man es mit farbenfrohem, kontrastreichem und vor allem in Nahaufnahmen sehr gut aussehenden Aufnahmen zu tun. Teilweise aber auch mit - in mindestens zwei Szenen - unterirdischer Bildqualität die auf Material aus anderer Quelle hindeuten, und einem durchgehenden Detailproblem bei allem was nicht im Fokus ist. Das dezente Maß an Kantenglättung lässt vieles dadurch zu etwas Matsch verkommen, auch mit Nebel, Schnee und Unwetter kommt die Nachbearbeitung kaum zurecht. Abgesehen davon ist der Schnee nicht immer weiß, Schwarz nicht immer schwarz. Das Material zeigt seine Schwächen und unterscheidet sich bei genauem Hinsehen (Screenshot-Vergleiche im Netz versuchen das zu belegen) nur sehr minimal von dem bislang bekannten Material. Der Verdacht, man ist lediglich mit neuerer Technik an bisheriges Material ran, und Zugriff auf ein echtes Negativ hatte man nicht - verhärtet sich. Eine höher aufgelöste Abtastung wäre gerade bei diesem Film wichtig gewesen, wo man nun letztlich teilweise jenseits der Nahaufnahmen nicht mehr viel Details ausmachen kann. Hoffentlich machen andere Lizenznehmer hier einiges besser oder man kann besser restauriertes Material auftreiben. Beim Ton (abgesehen davon von dem fast unverzeihlichen Mangel an englischen Sprachoptionen allgemein) muss man je nach Geschmack sich für eine der drei Synchronfassungen entscheiden. Leider rauscht die deutsche stark hörbar, weshalb ich erstmal Italienisch wählte. Das ist insgesamt schade, da die Veröffentlichung ja auch echt hart auf den deutschen Markt abzielt. Es ist eben auch wirklich vernehmbar dieses Rausch, und konstant, also nicht etwa meckern auf hohem Niveau meinerseits. Italienisch klingt teilweise etwas hohl, Französisch etwas dumpfer. Perfekt ist keine der drei Spuren.

Insgesamt muss man sagen ist die vorliegende Bluray eine Wohltat, denn mit der Aufmachung, den Extras und der Sehnsucht mit der man auf den Film gewartet hatte, muss man sagen ist das durchaus ein Fest. Ja ich klinge etwas pessimistisch aber man muss auch mal ehrlich sein bzgl. dessen was geleistet wurde. Gleichzeitig tut es das fürs Heimkino erstmal, so lange im Ausland noch nichts besseres vorliegt. Damit ist es automatisch die beste Version wo gibt. Ich hätte mir dennoch gewünscht man hätte gleich die Mühen für eine echte 4K Abtastung eines besseren Original Negativs gemacht, was man hier zu sehen bekommt ist davon sicherlich weit entfernt. Auch die übliche Lizenz-Kacke weswegen es nicht mal deutsche Untertitel gibt, ist kaum wirklich akzeptabel.

Großer Pluspunkt der Veröffentlichung sind die Bonusmaterialien und die Aufmachung. Das hübsche Mediabook mit einem eingeklebten und recht informativen Booklet-Text enthält den Film auch noch auf DVD. Das allseits bekannte alternative Happy End ist ebenso mit dabei wie Vor- und Abspann in der französischen Version die sich aber von der deutschen Fassung kaum unterscheidet. Besonderer Clou der Veröffentlichung ist eine HD Fassung von Mike Siegels eigener 35mm Kopie von 1969, die im Vergleich zur FilmJuwelen Fassung nun abseits von Kratzern und Flackern auch kaum schlechter aussieht. Leider kann man hier keine anderen Tonspuren auswählen. Sehr retro das ganze, sehr witzig und sehr schön von Mike, das zur Verfügung gestellt zu haben.

Leichen pflastern seinen Weg BluRay

Das Featurette über die Dreharbeiten ist auch von Mike, dauert knapp 10min, und zeigt einige bereits aus Youtube etc. bekannte Aufnahmen vom Dreh. Interessant ist das u.a. deshalb, da es von Italowestern nur sehr sehr selten Making-Of Material gibt, Interviews vom Set oder Outtakes. Ein Western im Schnee, das war aber bereits damals einigen TV Kameras und Zeitzeugen einen genaueren Blick wert. Fans kennen das ganze also bereits, von der Doku "Western Italian Style", aber man darf dankbar sein, dass das Material hier mit inkludiert wurde, und das auch in guter Qualität und mit Untertiteln.

Das Featurette mit internationalem Werbematerial ist eine 10-minütige Tour durch Bild- und Postermaterial aus verschiedenen Ländern, die Mike aus seinem privaten Archiv zusammengestellt hat, inklusive Postern von den mehrmaligen Wiederaufführungen des Films. Das Featurette mit 100 Standfotos (7min) ebenso, aber das ist mehr als eine schnöde Still Gallery, sondern hier verbergen sich richtige Schätze mit raren Fotos vom Dreh und mehr, sollte man auf keinen Fall als billiges Extra abtun.

Vorstellung des Filmes durch den Comiczeichner und Verleger Jean-Pierre Dionnet (4min), der ab circa 1989 etwa 15 Jahre lang die Sendung Cinéma de Quartier auf Canal+ moderierte, aus der vermutlich diese Intro stammt. Auch dieser Clip ist vielen Fans sicherlich bereits bekannt, aber gibt einen kleinen Überblick über den Film, die Darsteller und Corbucci. Wie immer ein Kracher ist das notorische ZDF Interview von 1971 mit Kinski, das auch jeder kennt. In den acht Minuten kann man zum einen Kinski erleben wie er letztlich so richtig ausrastet, aber man kann auch erleben wie sich die Journalistin ordentlich zum Deppen macht. Das Interview hat mit dem Film hier kaum was zu tun.

Mike Siegels Audiokommentar zum Film zeugt von seinem Wissen über ihn und führt den Zuschauer mit Anekdoten und Filmwissen durch diesen, ohne in hochtrabende Analysen abzudriften. Er geht dabei auf Technik, Schauspieler, Locations und Hintergründe ein. Ein sehr wertvoller Kommentar von Mike, in dem er auch versucht mit Falschinformationen oder Gerüchten aufzuräumen.

Leichen pflastern seinen Weg BluRay

Am Ende ist da noch der deutsche sowie der französische Kinotrailer (bei dem seltsamerweise unpassende deutsche Untertitel eingeblendet werden) und einige Trailer zu anderen Veröffentlichungen von FilmJuwelen, inkl. Der Tod ritt Dienstags, der in den nächsten Wochen erscheinen wird (wir werden uns die BluRay genau vornehmen).

Diesem unsterblichen Film, der in den USA übrigens nie in die Kinos kam (was sich erst 2018 ändern wird), wird man mit einer kleinen Kritik natürlich kaum gerecht. Vonetta McGees Karriere, die auf der Leinwand mit diesem Film begann, wäre an sich schon Seiten wert, nicht zu Schweigen von Cobucci, oder dem Subgenre des Schnee-Westerns. Die melancholisch-dramatische Musik von Altmeister Morricone, die bedrückenden Sets, das herbe Ende. The Great Silence ist ein Meisterwerk seines Genres, und ein Meilenstein der italienischen Filmgeschichte. Ein Film der erst bei mehrfachem Betrachten seine Tiefen - aber auch Schwächen (was wohl alles im Schneideraum liegen geblieben ist?) - offenbart, beim ersten Mal aber eine absolute Wucht ist. Für Fans des Italowestern gilt er für immer als einer der ganz großen. Dass er eine Leidensgeschichte im Heimkino hinter sich hat, ist sicherlich schade, und die vorliegende Veröffentlichung kann mangels wirklich ausgezeichneter Bild- und Tonqualität diesen Misstand nur vorübergehend lösen. Was man hier bekommt ist eine großartige BluRay im schicken Mediabook, die jeder Cineast und Italowestern-Fan besitzen sollte. Der Wermutstropfen, zu wissen dass das Bild nach wie vor nicht prima aussieht und die deutsche Tonspur rauscht, dass keine englischen Ton- oder Untertiteloptionen beiliegen, schwebt wie eine Schneewolke über dem Film, aber da bleibt erstmal nur der Genuss dieses Meisterwerks und das Warten und Hoffen, dass vielleicht im Ausland nächstes Jahr noch irgendwie Material seinen Weg in die BluRay Player findet (Mike sagt im Audiokommentar treffenderweise ab hier würde es nur noch aufwärts gehen), das uns qualitativ näher an die Kinopräsentation dieses filmhistorisch wichtigen Werkes bringt.

Text von Sebastian

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