View source for Starblack – fiat justitia, et pereat mundus

<big><em>Mittelalter: Robin Hood nimmt den Reichen und gibt den Armen. 1919: Zorro hilft den Unterdrückten, rächt die Machtlosen, bestraft die Grausamen. 1933: Der Lone Ranger kämpft gegen das Verbrechen und für Gerechtigkeit. 1939: Gnadenlos ahndet der Bat-Man Unrecht und Vergehen. 1966: Starblack schleudert Schurken seine Shuriken mit stupend-letaler Präzision entgegen. Wurfsterne oder Revolverkugeln — Starblack trifft immer.</em></big>


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<em>HAMLET: Sprich! mir ist’s Pflicht zu hören.<br>
GEIST: Zu rächen auch, sobald du hören wirst.<br>
HAMLET: Was?</em> <ref>William Shakespeare, „Hamlet, Prinz von Dänemark“ (um 1600; übersetzt von A. W. von Schlegel), in: ders., <em>Sämtliche Dramen. Band III: Tragödien</em> (nach der dritten Schlegel-Tieck-Gesamtausgabe von 1843/1844), München: Winkler, 1988, S. 589—701, hier: S. 610.</ref>


Man kehrt nach Jahren der Mühsal in der Fremde nach Hause zurück, und was muss man feststellen? Der Vater tot, die Mutter verheiratet mit dem Onkel, und die Heimatstadt fest in den Händen eines skrupellosen Geschäftemachers und einer Bande von Galgenvögeln. Der junge Rancher Johnny Blythe (Robert Woods) ist gewiss kein dänischer Prinz, gerät aber in genau diese Bredouille, als er aus Colorado in seinen Geburtsort zurückkommt. Der Schubiack Curry (Franco Lantieri) versucht zwar sich den Anschein der Respektabilität zu geben, setzt in Wahrheit aber alle Farmer und Rancher der Gegend unter Druck, ihm billigst ihr Land zu verkaufen, darunter auch den alten Williams (Eugenio Galadini) und dessen Tochter Caroline (Elga Andersen).


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<em>Curry begehrt Caroline ganz ungemein. Sie verabscheut ihn in diesem Ausmaß reziprok invers. Aber das ist Curry wurst.</em>


Johnny Blythe ist nicht alleine gekommen: Sein Faktotum Job<ref>Im Gegensatz zu den portugiesischen Untertiteln einer brasilianischen VHS-Version geben sowohl die italienischen wie auch die deutschen auf der Blu-Ray-Veröffentlichung von Colosseo Film aus dem Jahr 2020, <em>Django — schwarzer Gott des Todes</em>, seinen Namen als Jop wieder.</ref> („Hiob“, Renato Rossini) begleitet ihn überallhin. Job gibt vor, nicht hören und sprechen zu können. Das ist aber nur eine List. Johnny wiederum verhält sich wie ein Hasenfuß, der gerne Gitarre spielt und schwermütige Weisen singt. Ebenfalls eine List. Als er seine geliebte Manuelita (Jelena Žigon), jetzt Mutter und verheiratet mit Farmer Foster (Branko Špoljar), nach den langen Jahren seiner Abwesenheit wiedersieht, ist er so aus dem Häuschen, dass die beiden sich im Grase rollen.<ref>Das Verhältnis zwischen Manuelita und Johnny bleibt in der englischen und in der italienischen Sprachversion undefiniert. Die deutsche Synchronisation macht sie zu Geschwistern.</ref>


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<em>Foster und Blythe im Taumel der Wiedersehensfreude</em>


Von seinem Onkel, Richter Harold „Hal“ King (Harald Wolff), muss Johnny erfahren, dass sein Vater Rayfield tot ist — angeblich vom Pferd gestürzt — und er jetzt gleichzeitig Neffe und Stiefsohn für Oheim Hal ist. Man fragt sich allerdings, wie die Verwandtschaftsverhältnisse mit den Namen der Figuren zusammenpassen. Wie sein Onkel müsste Johnny auch King heißen, nicht Blythe (oder Blyth, macht keinen Unterschied in der Aussprache). Aber möglicherweise ist „Blythe“ nur sein Beiname, im Sinn von „fröhlich, munter“ („blithe“). Falls Johnnys Nachname tatsächlich so lautet, hätte Richter King folglich seine eigene Schwester geheiratet, Johnnys Mutter, die von der 1910 als Marianne Tuch geborenen österreichischen Kammerschauspielerin Jane Tilden dargestellt wird.<ref>Die Jane-Tilden-Gasse in Wien-Floridsdorf, am Gesäß der Welt, wurde ihr zu Ehren so benannt.</ref>

Irgendwas ist da faul mit King und Curry und dem Tod von Johnnys Vater, denken sich Johnny und Job. Obendrein taucht gleichzeitig mit ihnen in der Stadt ein vermummter Revolverheld auf: Starblack genannt, grau gewandet, den Kopf unter einer dunkelblauen Strumpfmaske verborgen,<ref>Voll maskierte Westernhelden waren bereits aufgetreten 1938 in der Filmreihe ''The Lone Ranger'' (William Witney, John English), 1940 in ''Deadwood Dick'' (James W. Horne), 1941 in ''The Masked Rider'' (Ford Beebe). Zum Beispiel. Nicht dass ich diese Filme gesehen hätte — aufgefallen sind sie mir beim Durchblättern von Mark Fertigs wunderbarem Buch ''Hang ’Em High: 110 Years of Western Movie Posters, 1911—2020'', Seattle: Fantagraphics, 2021, S. 138, 154, 160.</ref> trotzdem die personifizierte Hellsichtigkeit und Treffsicherheit. Wird Starblack den üblen Machenschaften Currys Paroli bieten können? Das Rätsel um den Tod von Johnnys Vater lösen? Und wer verbirgt sich in Wahrheit hinter der Maske?


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<em>[[Starblack]]</em>, eine italienisch-deutsche Koproduktion aus dem Jahr 1966, deutscher Titel: <em>Django — schwarzer Gott des Todes</em>, bietet naive Unterhaltung für Western- und Superheldenaficionados, die Überraschungen nicht schätzen. Gianni Grimaldis zweite und vorletzte Regiearbeit im Wildwestgenre mutet wie ein Kinder- oder Jugendfilm an, wäre <em>Starblack</em> nicht ziemlich brutal und in seinen zahlreichen Tötungssequenzen recht explizit. Grimaldi führte nicht nur Regie, er verfasste auch das Drehbuch, inspiriert von Zorro und dessen wie Job (vorgeblich) taubem und stummem Diener Bernardo. Handwerklich fällt <em>Starblack</em> weit hinter sein Westerndebüt <em>[[All'ombra di una colt|All’ombra di una colt]]</em> zurück. Er bemüht sich zwar um ein paar interessante Übergänge von Sequenz zu Sequenz, ebenso um einige ausgefallene Kamerapositionen; im Vergleich zu <em>All’ombra</em> wirkt <em>Starblack</em> jedoch gehudelt und sorglos. Offensichtlich standen nur ein geringes Produktionsbudget und eine knapp bemessene Drehzeit zur Verfügung.<ref>Raison d’Être respektive Conditio sine qua non des seriellen, industriellen „Filone“-Systems.</ref> In dieser Hinsicht schneidet Grimaldis letzter Western, eigentlich eine Komödie, wesentlich besser ab: <em>[[Bello, il brutto, il cretino, Il|Il bello, il brutto, il cretino]]</em> („Der Schöne, der Hässliche, der Blöde“; bisher keine deutschsprachige Veröffentlichung) muss man zwar nicht lustig finden, handwerklich gut gemacht ist die Leone-Persiflage<ref>Vielleicht weniger Persiflage als eher Appropriation: Franco Franchi und Ciccio Ingrassia bemächtigen sich des berühmten Films von Leone und ersetzen zwei von dessen drei Hauptfiguren.</ref> aber allemal.


[[File:Il brutto il cretino.jpg|600px]]

<em>Zwei glorreiche Knallköppe: Franco Franchi und Ciccio Ingrassia. “The kind of parody involved in their comedies did little damage to the reputation of the western itself, since the slapstick quality of the parody never called the myth of the western into question.” <ref>Peter Bondanella, <em>A History of Italian Cinema</em>, New York, London: Bloomsbury, 2013 (2009), S. 366.</ref> Am 23. Dezember 1966 wurde Leones </em>Il buono, il brutto, il cattivo<em> uraufgeführt, am 13. August 1967 bereits Grimaldis Travestie </em>Il bello, il brutto, il cretino<em>.</em>


Nach dem Erfolg der beiden Sergio-Leone-Western <em>[[Per un pugno di dollari]]</em> und <em>[[Per qualche dollaro in più]]</em> 1964 und 1965 überflutete die Italowesternwelle in den folgenden vier, fünf Jahren die europäischen Kinos. Allein im August 1966<ref>Insgesamt wurden 1966 in Italien 245 Kinofilme hergestellt, 77 mehr als in Hollywood (siehe Dimitris Eleftheriotis, ''Popular Cinemas of Europe: Studies of Texts, Contexts and Frameworks'', London: Continuum, 2001, S. 105; zit. in [[Austin Fisher]], ''Blood in the Streets: Histories of Violence in Italian Crime Cinema'', Edinburgh: Edinburgh University Press, 2020 [2019], S. 40). Auf der [[:Category:1966|SWDb-Seite für das Jahr 1966]] finden sich 83 Einträge, nicht alle davon für italienische Western, aber der Großteil. Sergio Leones <em>[[Buono, il brutto, il cattivo, Il|Il buono, il brutto, il cattivo]]</em> steht wenig überraschend an der Spitze der Rangliste der in Italien kommerziell erfolgreichsten italienischen Western, die in diesem Jahr ebendort uraufgeführt wurden; gefolgt von <em>[[Per pochi dollari ancora]]</em> (Giorgio Ferroni), <em>[[Arizona Colt]]</em> (Michele Lupo), Sergio Corbuccis <em>[[Django]]</em>, <em>[[Sette pistole per i MacGregor]]</em> (Franco Giraldi), <em>[[Texas, Addio|Texas, addio]]</em> (Ferdinando Baldi), <em>[[Tempo di massacro|Le colt cantarono la morte e fu … tempo di massacro]]</em> (Lucio Fulci), <em>[[Sette dollari sul rosso]]</em> (Alberto Cardone), der Franco-e-Ciccio-Komödie <em>[[Due figli di Ringo, I|I due figli di Ringo]]</em> (Giorgio Simonelli), Damiano Damianis <em>[[Quien Sabe|¿Quién sabe?]]</em>, <em>[[Precio de un hombre, El|El precio de un hombre]]</em> (Eugenio Martín), <em>[[Pochi dollari per Django]]</em> (León Klimovsky und/oder Enzo G. Castellari), <em>[[Mille dollari sul nero]]</em> (Cardone), <em>[[Ringo, il volto della vendetta]]</em> (Mario Caiano), <em>[[Django spara per primo]]</em> (Alberto De Martino) und <em>[[Sugar Colt]]</em>, dirigiert von Franco Giraldi (kompiliert aus „Highest Grossing Italian Westerns, 1962—1980 [Domestic <i>Prima Visione</i> Box-office Returns]“, einem Appendix in Austin Fishers Studie <em>[[Radical Frontiers in the Spaghetti Western: Politics and Violence in Italian Cinema|Radical Frontiers in the Spaghetti Western: Politics, Violence and Popular Italian Cinema]]</em>, London, New York: I.B.Tauris, 2014 [2011], S. 219—222). Erstaunlicherweise fehlen in dieser Top-100-Liste so bekannte 1966er-Spaghettiwestern wie Corbuccis <em>[[Johnny Oro]]</em> und <em>[[Navajo Joe]]</em>, <em>[[Per il gusto di uccidere]]</em> (Tonino Valerii), <em>[[Johnny Yuma]]</em> (Romolo Guerrieri), Tinto Brass’ <em>[[Yankee]]</em> oder Carlo Lizzanis <em>[[Fiume di dollari, Un|Un fiume di dollari]]</em>.</ref> — <em>Starblack</em> erschien am 25. dieses Monats — waren in Italien neu zu sehen: Tonino Valeriis Regiedebüt <em>[[Per il gusto di uccidere]]</em> (6.), <em>[[Tempo di massacro|Le colt cantarono la morte e fu … tempo di massacro]]</em>, dirigiert von Lucio „Zombi“ Fulci (10.), <em>[[Johnny Yuma]]</em> (Romolo Guerrieri, 11.), <em>[[Dinamite Jim|Dinamita Jim]]</em> (Alfonso Balcázar, 12.), <em>[[Djurado]]</em> (Giovanni Narzisi, 20.), Tinto „Reggicalze“ Brass’ einziger, formal gewagter Wildwestfilm <em>[[Yankee]]</em>, uraufgeführt am selben Tag wie <em>Starblack</em>, zwei Tage später <em>[[Arizona Colt]]</em> (Michele Lupo) und schließlich am 28. des Monats <em>[[Texas, Addio|Texas, addio]]</em> (Ferdinando Baldi).<ref>Diese Aufzählung ist nicht komplett, sondern beinhaltet lediglich jene Filme, die ich gesehen habe.</ref>

Ein ganz schönes Getümmel, Grimaldis zweiter Western konnte sich da nicht nach vorn drängeln: “[…] Starblack combines old-fashioned heroism with new-fangled Italian western ruthlessness, but the films domestic takings were insufficient to take his escapades any further.”<ref>Kevin Grant, <em>[[Any Gun Can Play: The Essential Guide to Euro-Westerns]]</em>, Godalming: FAB Press, 2011, S. 272.</ref> Also leider keine Fortsetzung. Wie „cantante extraordinario“ Roberto Bosque<ref>D. i. Roberto Bosco, „cantante straordinario“.</ref> im Titellied singt: “Loneliness is the best friend of sadness.”


[[File:Starblack Roberto Bosque.jpg|600px]]


'''Anmerkungen:'''
<references/>

<em>Der lateinische Teil des Titels meines Aufsatzes bedeutet: „Gerechtigkeit geschehe, und gehe die Welt zugrunde“. Die den Text begleitenden Bilder sind nicht der ausgezeichneten Blu-Ray-Veröffentlichung </em>[[Starblack/BluRay|Django — schwarzer Gott des Todes]]<em> von Colosseo Film aus dem Jahr 2020 entnommen, sondern der digitalisierten Version einer [[Starblack/VHS releases|brasilianischen Videokassette]] aus dem Jahre Schnee.</em>

— [[User:Companero M|Compañero M.]]

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