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<big><em>Peter Lee Lawrence gibt in der italienischen Produktion </em><b>[[Killer calibro 32]]</b><em>, die am 20. April 1967 uraufgeführt wurde, seine dritte Westernhauptrolle. Unter der Regie des Römers Alfonso Brescia stellt der gebürtige Lindauer, damals dreiundzwanzig Jahre alt, einen Auftragskiller namens Silver dar. Auf Deutsch titelte man atavistisch-martialisch </em>Stirb oder töte<em>.</em></big>


Wer kennt diese dumme Situation nicht aus eigener Erfahrung: Um die Kaffeekasse im Betrieb wieder aufzufüllen, überfällt man mit ein paar Arbeitskollegen den Postbus zwischen Großmugl und Nursch. Alles geht gut — bloß irgendeine Gschaftlhuberin unter den Passagieren muss blöd tun und reißt einem die Maskierung vom Gesicht. Ach herrje … was nun?

Genau in so eine missliche Lage gerät auch ein Trupp Vermummter zu Beginn von <em>Stirb oder töte</em>. Der Anführer entscheidet sich dafür, alle Fahrgäste zu erschießen. Die brutalen Raubmörder ausforschen soll die Mietkanone Silver — <em>Mister</em> Silver, auf die korrekte Anrede legt der junge Mann besonderen Wert. Er ist überhaupt ein „Guter“: Pro Auftrag nimmt er tausend Dollar, gibt aber seinen Opfern immer eine Chance und killt nur Fieslinge — etwa kapitalistische Ausbeuter und rüde Radaubrüder. Coole Socke, dieser Silver, adrett gewandet und passend verkörpert von P. L. Lawrence.<ref>In vier Western war P. L. Lawrence 1967 zu sehen: <em>[[Dove si spara di più]]</em> (Gianni Puccini) und <em>[[Hombre que mató a Billy el Niño, El|El hombre que mató a Billy el Niño]]</em> (Julio Buchs) wurden im März uraufgeführt, im August die zweite Zusammenarbeit mit Regisseur Brescia, <em>[[Giorni della violenza, I|I giorni della violenza]]</em>.</ref> Ein mittleres Kaliber ist eh seine Drehpistole.

<em>Stirb oder töte</em>, hergestellt in den S. C. O. (Studi Cinematografici Ostia), Rom, ist ein Krimi im Wilden Westen, kein besonders spannender oder actionreicher. Plätschert so dahin, einem unaufgeregten und wenig überraschenden Ende entgegen, ähnlich wie <em>[[Winchester, uno entre mil|Killer adios]]</em> (Primo Zeglio, 1968). Drehbuchautor Enzo Gicca Palli lieferte als Regisseur 1971 eine Fortsetzung mit dem Titel <em>[[Venditore di morte, Il|Il venditore di morte]]</em> („Der Todesverkäufer“), in der Mr. Silver von Gianni Garko dargestellt wird und Klaus Kinski unschuldig ist, einerseits. Gicca Palli bringe, so Kevin Grant in <em>Any Gun Can Play</em>, „die finsteren Geheimnisse und die Doppelmoral einer scheinheiligen Stadt“ ans Tageslicht und satirisiere „Ungerechtigkeit, Religion und Provinzialismus“.<ref>Kevin Grant, <em>[[Any Gun Can Play: The Essential Guide to Euro-Westerns]]</em>, Godalming: FAB Press, 2011, S. 82. Original: “the murky secrets and double standards of a sanctimonious town” — “rough justice, religion and provincial propriety.”</ref> Garko sah Silver laut Grant als „eine Art Sherlock Holmes in Cowboykleidung“.<ref>Ebd., S. 287. Original: “a kind of Sherlock Holmes in cowboy dress.”</ref> Originell ist das alles nicht.


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Wie so oft im Italowestern, ergeben auch die englisch- und italienischsprachigen Vor- und Abspanne von <em>32 Caliber Killer</em> <ref>„Caliber“ ist die in amerikanischem Englisch gebräuchliche Schreibweise, „calibre“ in britischem Englisch.</ref> ein diffiziles Kryptogramm aus Tarn-, Klar- und seltsamen Figurennamen: Peter Lee Lawrence ist Karl Hyrenbach und Silver. Die gebürtige <i>Boulonnaise</i> Agnès Spaak tritt als einzige Mitwirkende unter ihrem Klarnamen auf (ohne Accent grave) und spielt laut italienischem Nachspann Bet (sic), Tänzerin und Animateurin. Die Darstellerin der Buchhalterin Janet Sullivan heißt dem englischen Vorspann zufolge Lucy Slade, laut italienischem Vor- und Abspann Lucy Scay; <em>Stirb oder töte</em> war allem Anschein nach ihr einziger Film.<ref>Dabei vermittelt Lucy Scay/Slade keineswegs den Eindruck, eine Debütantin zu sein. Keine einzige biografische Information konnte ich zu ihrer Person finden, nichts, null, <i>nada</i>.<br><br>[[File:Calibro_Scay_1.jpg|400px]]<br><br>[[File:Calibro_Scay_2.jpg|400px]]<br><br>[[File:Calibro_Scay_3.jpg|400px]]<br><br>[[File:Calibro_Scay_4.jpg|400px]]<br><br>Lucy Scay/Slade hat eine gewisse Ähnlichkeit mit [https://www.thrillingforum.com/phpbb/viewtopic.php?f=82&t=2451 Maria Pia Luzi], deren [https://www.imdb.com/filmosearch/?explore=genres&role=nm0527787&ref%20=filmo%20ref%20typ&mode=detail&page=1&job%20type=actress&sort=release_date,asc&job_type=actress&ref_=filmo_ref_job_typ Filmografie] 1961 beginnt, 1964 abreißt und sich 1969 fortsetzt. Nachdem ich mir Luzis Auftritt als begehrlich körperliche Nähe zur Mastroianni-Figur suchende Krankenhauspatientin in Antonionis <i>La notte</i> (1961) wieder angesehen hatte, danach ihre große Rolle im fastidiösen Science-Fiction-Film <i>I pianeti contro di noi</i> (Romano Ferrara, 1962), gefolgt von zwei Episodenkomödien mit Franco Franchi und Ciccio Ingrassia, <i>Avventura al motel</i> (Renato Polselli, 1963) sowie <i>Gli imbroglioni</i> (Lucio Fulci, 1963), und schließlich im Schnelldurchlauf <i>Dal nostro inviato a Copenaghen</i> (Alberto Cavallone, 1970), in dem Luzi angeblich unter ihrem Pseudonym Jane Avril mitspielt, konnte ich die Frage, ob es sich bei Maria Pia Luzi, Lucy Scay/Slade und Jane Avril um ein und dieselbe Darstellerin handelt, ganz klar beantworten: möglicherweise.</ref> Der junge Spot wird gespielt vom <i>campobassano</i> Alberto Dell’Acqua, dem es aus nicht offensichtlichen Gründen einfiel, sich für drei seiner zahlreichen Westernauftritte den Künstlernamen Cole Kitosch (beziehungsweise Kitosh) zuzulegen.<ref>Neben <i>Killer calibro 32</i> für <i>[[Texas, Addio|Texas, addio]]</i> (Ferdinando Baldi, uraufgeführt am 28. August 1966) und <i>[[Sette donne per i MacGregor|7 donne per i MacGregor]]</i> (Franco Giraldi, uraufgeführt am 3. März 1967). Man könnte nun einen Zusammenhang vermuten mit den beiden Western, in denen George Hilton eine Figur namens Kitosch darstellt: <i>[[Kitosch, l'uomo che veniva dal nord|Frontera al sur]]</i> (José Luis Merino, uraufgeführt am 23. März 1967, aber laut [http://www.archiviodelcinemaitaliano.it/index.php/scheda.html?codice=AG2136 Archivio del cinema italiano dell’ANICA] bereits am 17. März 1966 von der italienischen Zensur freigegeben, was jedoch [https://forum.spaghetti-western.net/t/kitosch-the-man-who-came-from-the-north-frontera-al-sur-jose-luis-merino-1967/2480/40 JonathanCorbett] zufolge falsch ist) und <i>[[Tempo degli avvoltoi, Il|Il tempo degli avvoltoi]]</i> (Fernando Cicero, erstmals gezeigt am 2. August 1967). Das Wort oder der Name Kitos(c)h scheint afrikanischen Ursprungs zu sein (siehe die Wikipedia-Einträge zu den [https://de.wikipedia.org/wiki/King%E2%80%99s_African_Rifles#Eins%C3%A4tze King’s African Rifles], zu den [https://en.wikipedia.org/wiki/Bukusu#Settlement Bukusu] und zu Karen Blixens Buch <i>[https://en.wikipedia.org/wiki/Out_of_Africa#Trials Out of Africa]</i>; ebenso Anmerkung 4 in Simon Geltens [[Last of the Badmen Review|Besprechung von <i>Il tempo degli avvoltoi</i>]]). Eine kommentierte und bebilderte Filmografie von Dell’Acqua findet sich auf [https://www.thrillingforum.com/phpbb/viewtopic.php?t=814 Thrillingforum.com].</ref> Als Red Carter gibt der Römer Nello Pazzafini einen gewaltbereiten Kartenspieler (laut Nachspann namens Fitch).<ref>Assoziativ drängt sich hier gleich Edgar Rice Burroughs’ Groschenheftfigur John Carter of Mars auf. Die Symbolik des Roten Planeten einerseits und des römischen Kriegsgottes andererseits passt gut zu vielen von Pazzafini gespielten Charakteren — allerdings wurde die in den 1910er-Jahren gestartete „Barsoom“-Pulp-Fiction-Reihe erst ab den 1970er-Jahren ins Italienische übersetzt. John-Carter-Comics fanden möglicherweise aber bereits früher ihren Weg nach Italien.</ref> Massimo Righi verkörpert unter seinem Pseudonym Max Dean Hilfssheriff Jud. Den Banker Averel (sic) stellt laut englischem Vorspann Andrew Bosich dar, dem italienischen Vor- und Abspann zufolge Andrey Bosic; das ist hüben wie drüben Andrea Bosic, geboren als Ignazio Božič in der heutigen Republik Slowenien, als er auf die Welt kam, 1919, Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen.<ref>Sein gewählter Vorname, Andrea, bereitete aufgrund dessen italienischen Gebrauchs für Männer zumindest einem deutschen Pressetextverfasser Schwierigkeiten. So weist die Gloria-Film-Pressemappe zur deutschen Erstaufführung 1968 von Tonino Valeriis zweiter Regiearbeit, <em>[[Giorni dell'ira, I|Der Tod ritt dienstags]]</em>, Andrea Bosic eine Frauenrolle zu, nämlich jene der Richterstochter Eileen (als PDF beigefügt der Studiocanal-DVD).</ref> Den Bologneser Valentino Macchi führen der italienische Vor- und Nachspann als Robert Steevenson, im englischen Vorspann korrigiert zu Robert Stevenson.<ref>Bemerkenswert ist die Diskrepanz zwischen seiner prominenten Platzierung im englischen und italienischen Vorspann an immerhin achter Stelle und der Bedeutungslosigkeit seiner Rolle („giovanotto diligenza“, „junger Mann Postkutsche“), die sich in ein paar Worten und einer zwei Minuten dauernden Sequenz erschöpft. Diese Worte lauten in der englischen Version: “Sorry, ain’t got nothing in my pockets, just holes.” In der Brandt-Brunnemann’schen: „Ich würd’ ja auch gern was beisteuern, aber ich bin doch Lehrling. — Nicht doch.“ Die Inspiration für sein Pseudonym scheint hingegen offensichtlich.</ref> Sheriff Bear spielt der gebürtige Locarnese Mirko Korcinski unter seinem Pseudonym Mirko Ellis. Last, not least nennen englischer und italienischer Vorspann Sherill Morgan, wohinter sich Hélène Chanel verbirgt, die als Hélène Stoliaroff in der Normandie geboren wurde und hier die Saloon-Madam Dolly darstellt.<ref>Gewiss ein Zufall, aber das [https://www.spaghetti-western.net/index.php/Category:H%C3%A9l%C3%A8ne_Chanel Chanel] für <i>Stirb oder töte</i> meinende Pseudonym Sherill Morgan liest man mit einem halben Blick als „Sheriff Morgan“. Im Westerngenre gibt es ohne Zweifel eine erkleckliche Anzahl von Sheriffs dieses Namens; ein prominenter wäre die von Kirk Douglas in John Sturges’ <i>Last Train from Gun Hill</i> (1959) dargestellte Figur, die in der italienischen Fassung eben als Sheriff (sceriffo) Morgan auftritt. Der Film lief in Italien unter dem Namen <i>Il giorno della vendetta</i> („Der Tag der Rache“) — was auch die Erklärung liefert für den an sich ja erstaunlichen Umstand, dass kein einziger Italowestern diesen Titel trägt. <i>Killer calibro 32</i> war jedenfalls Chanels dritter Wildweststreifen, allerdings ihr erster, der nicht eine Komödie sein sollte. Zuvor hatte sie mit den Späßen von Ugo Tognazzi und Walter Chiari respektive den Schabernacken von Franco Franchi und Ciccio Ingrassia in <i>[[Dollaro di fifa, Un|Un dollaro di fifa]]</i> (1960, „Ein Bammeldollar“) und <i>[[Due mafiosi nel Far West]]</i> (1964, „Zwei Mafiosi im Wilden Westen“) zurechtkommen müssen, beide Male unter der Regie von Giorgio Simonelli. Nach <i>Killer calibro 32</i> trat sie 1967 in drei weiteren Western auf, einer davon wiederum eine Komödie mit Franco e Ciccio, <i>[[Due rrringos nel Texas|Due Rrringos nel Texas]]</i> (Marino Girolami, „Zwei Rrringos in Texas“), die zwei anderen verflucht ernste Konfektionsware, <i>[[Cjamango]]</i> (Edoardo Mulargia) und <i>[[Con lui cavalca la morte]]</i> (Giuseppe Vari, „Mit ihm reitet der Tod“). Alles in allem wirkte Chanel von 1959 bis 1977 in 51 Filmen mit (52, wenn man den Recyclingstreifen <i>Amici più di prima</i> aus dem Jahr 1976 dazuzählt); am Beginn ihrer Laufbahn in zwei französischen, danach ausschließlich in italienischen (darunter natürlich zahlreiche Koproduktionen: sechs italienisch-französische, zwei italienisch-spanische, jeweils eine italienisch-jugoslawische, italienisch-ägyptische, italienisch-französisch-spanisch-türkische, italienisch-spanisch-venezolanische, italienisch-argentinische und italienisch-westdeutsche). Ihre Karriere umfasst damit exemplarisch die gesamte Bandbreite des italienischen „Filone“-Systems: von Komödie zu „peplum“, von „giallo-poliziesco“ zu Kostümschinken, von Abenteuer- zu Kriegsfilm, von Western zu Fantasy, von Horror zu „commedia sexy all’italiana“. Eine bebilderte Filmografie Chanels bietet wiederum das [https://www.thrillingforum.com/phpbb/viewtopic.php?f=57&t=862 Forum Thrilling].</ref>

Zusätzlich bietet der italienische Abspann John Bartha, das ist der Budapester Bart(h)a János, der die Bürgerfigur Parker spielt. Den in Italowestern beliebten „vecchietto“, den komischen alten Kauz, gibt unter dem Künstlernamen Stephen Wilde der Bologneser Silvio Bagolini, der zum Zeitpunkt der Dreharbeiten erst zweiundfünfzig Jahre alt war. Die letzten fünf im Abspann angeführten Darsteller tragen die Namen Mike Bolt (Carruthers), Gregory West (Kent), John Taylor (Bellison), Joseph Holls (Ward) und Ivan G. Scrat („giocatore poker“). Mit dem „Pokerspieler“ dürfte Giovanni Ivan Scratuglia gemeint sein. Die anderen vier? Viel Spaß beim Googeln …<ref>Ist ein Darsteller oder eine Darstellerin im Vor- und/oder Abspann angeführt, bedeutet das ja auch noch lange nicht, dass er oder sie tatsächlich mitspielt. Von Belang für die Nennung waren hier jeweils nationale Filmförderungen und Steuerbegünstigungen. Vielleicht existieren für <i>Killer calibro 32</i> ebenso spanische, französische oder deutsche Credits mit ganz anderen Namen. Mitgewirkt haben jedenfalls auch Franco Pesce als Mr. Sullivan, Janets Vater und einer der erschossenen Postkutschenpassagiere; Emilio Messina als der Pokerspieler Freeman, den Silver in Dollys Auftrag beseitigt; Bill Vanders als Bürgerfigur Mr. Finley; Luigi Bonos als der Arbeiter Alonso; Franco Ukmar und Claudio Ruffini als von Bet gedungene Schläger.</ref>

Die deutschsprachige Version von <i>Killer calibro 32</i> stellten Karlheinz Brunnemann und Rainer Brandt für die Berliner Union Film her. Brandt spricht Silver, Brunnemann fünf Nebenfiguren.<ref>[https://www.synchronkartei.de/film/18277 Deutsche Synchronkartei] [2022-09-19].</ref> 1967 waren die beiden noch mit angezogener Spaßbremse unterwegs, zur Ablachattacke ohne Wenn und Aber gingen sie erst in den 1970er-Jahren über.<ref>Im brandtschen Œuvre gehören Sätze wie: „So, du Dünnbrettbohrer, jetzt gibt’s noch ’ne kleine Nachhilfestunde“ (Silver), ja noch zum besseren Ton. Bedauerlicherweise, so Brandt im Jahr 2014, ist „die Synchronisation heute überwiegend schlecht […]. Selbst Komödien sind nicht mehr komisch, weil die Macher nicht mehr wissen, was komisch ist“ (zit. n. Marc Friedrich, „Rainer Brandt — vier Sprüche für ein Halleluja“, online auf [https://www.derwesten.de/panorama/rainer-brandt-vier-sprueche-fuer-ein-halleluja-id9633426.html DerWesten.de] [2022-09-18]).</ref> Der komischste Einfall der deutschen Dialogregie in <i>Stirb oder töte</i> war es, den Westernhelden Wild Bill Hickok als „high cock“ auszusprechen.


'''Anmerkungen:'''
<references/>

<em>Der Titel dieses Aufsatzes ist die Refrainzeile des The-Box-Tops-Hits [https://www.youtube.com/watch?v=HIWY8UyW9bw „The Letter“] von 1967.</em>

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